Es heißt ja immer, Leinen und Baumwolle seien mit Pflanzenfarben nicht oder zumindest nicht vernünftig zu färben.
Bettinletts (meist Baumwolle) waren bis tief ins 20. Jh. sehr oft rot, und die Bezüge hatten Spitzendurchbrüche – kennt noch jemand die Deckenbezüge mit großen rautenförmigen Ausschnitten auf der Oberseite? Heutzutage versteckt man die ästhetisch wertlosen Inletts lieber, aber damals zeigte man sie gern. Warum? Weil man das Rot sehen sollte, vermute ich. Und was war an dem Rot so toll, daß man es sehen soll? Ich vermute, daß es das berühmte, sündhaft teure Türkischrot war – zumindest ursprünglich. Wenn dem so ist, dann dürften auch die Inletts jüngerer Zeit, obwohl sicherlich chemisch gefärbt, in etwa den Farbton gehabt haben wie das echte Türkischrot. Also einen ziemlich knackigen. Und weil Türkischrot v.a. im 18. Jh. noch mit Krapp gefärbt wurde, muß man mit Krapp auf Pflanzen eben doch ein ordentliches Rot hinkriegen können.
Soviel zur Hypothese. In einem Färbebuch von 1780, das sich v.a. mit Leinen und Baumwolle beschäftigt, fand ich einige Rezepte für Beizen und viel halb-alchimistische Theorie darüber, warum welche Beize welchen Farbton ergibt. Viele der Beizmittel hatte ich nicht zur Hand – Salpetergeist z.B. oder Galläpfel – aber die wichtigeren doch. Welche Beize würde denn nun wirklich eine Farbveränderung bewirken, und welche?
Die Versuchsanordnung
Mehrere Stücke gbleichten IKEA-Leinens à 10-12 Gramm wurden mit den Namen der Beizmittel beschriftet.
Für jedes wurde eine Beizmischung zusammengestellt und in genug Wasser aufgelöst, daß der Stoff schwimmen konnte (ca. 700 ml). Wegen der geringen Stoffmenge waren die Mengen so gering, daß ich sie nicht abwiegen konnte – aber für mehr Stoff hätte ich mehr Krapp gebraucht, und ich wollte ihn nicht verschwenden. Die Rezepte sahen also so aus:
- 1/8 Teelöffel Alaun
- 1/8 TL Alaun + 1/2 TL Kalk
- 1/8 TL Alaun + 1/16 TL Zinnchlorid
- 1/8 TL Alaun + 1/8 TL Pottasche
- 1/8 TL Alaun + 1/8 TL Pottasche + 1/16 TL Zinnchlorid
- 1/8 TL Alaun + 1/8 TL Soda + 1/16 TL Zinnchlorid
- 1/8 TL Alaun + 1/16 TL Weinstein + 1/16 TL Eisensulfat
- 1/8 TL Alaun + 1/16 TL Weinstein + 1/16 TL EisenKupfersulfat
Für insgesamt 93 g Stoff wurden 100 g Krapp 24 Std. eingeweicht, eine Stunde erhitzt (aber nicht deutlich über 60°), abgeseiht und dann das ganze Färbegut auf einmal eingelegt. Im Verlauf von 3 Stunden habe ich es immer wieder auf gut 60° erhitzt und dann den Herd wieder ausgemacht, damit nicht etwa durch Dauerfeuer die Temperatur auf über 70° steigt. Zum Schluß ließ ich es nochmal ganz kurz richtig heiß werden und dann mit dem Färbegut darin 24 Stunden auskühlen. Dann durfte das ganze unausgespült trocknen. Danach sah es so aus:
Das sieht erstmal reichlich enttäuschend aus: Nicht nur ist die Farbe Rosa statt Rot, sondern auch noch ziemlich vergraut. Aber das ficht mich nicht an, denn laut o.g. Färbebuch muß das Ganze noch ca. 15 min. in einer „starcken Saiffenlauge“ ausgekocht werden. Die ausgekochten Stoffstücke trocknen im Moment noch.
Weil der Krappsud noch immer reichlich rot aussah, warf ich noch 50 g Wolle und 10 g Seide hinein, dazu die abgeseihten Krappstücke, ließ sie an die zwei Stunden bei 60° drin und, wie üblich, mit dem Sud auskühlen. Der Vergleich mit dem Leinen zeigt deutlich, wie unterschiedlich die Fasern Farbe annehmen, wobei die Seide wegen ihrer hellbeigen Ursprungsfarbe außer Konkurrenz laufen muß.
Ach ja, zum Thema Türkischrot: Das Färbebuch von 1780 verrät das Rezept nicht (mit dem Hinweis, es zähle zu den Arkana des Handwerks), aber alte Lexika erwähnen Tournantöl, Zinnchlorid, Soda, Galläpfel und ähnlichen Kram, angewendet in mehrfachen Beiz-, Trocken-, Wasch- und Spülgängen, die zusammen knapp einen Monat in Anspruch nahmen. Mal abgesehen davon, daß ich nicht wüßte, wo ich auf die Schnelle Olivenöltreber herbekäme…