Blaumachen

Ich habe beschlossen, daß die verunglückte „Bacio“-Wolle noch einmal in ein Walnußschalenbad muß. Doch vorher habe ich sie meinem Folterknecht übergeben, der sie für ihren Ungehorsam bestrafen und ihren Willen brechen sollte…

Die sture Wolle wird sorgfältig unterdrückt

Die sture Wolle wird sorgfältig unterdrückt


 
Derweil habe ich mich an Blau rangewagt. Richtiges Blau, nicht Stockrosen – und das bedeutet Indigo. Ich hatte da noch einen großen Beutel, den mir jemand aus Indien mitgebracht hatte. Um mit Indigo zu färben, muß man den wasserunlöslichen Farbstoff zuerst in etwas alkalischem (z.B. Natronlauge) auflösen und ihn dann durch Zugabe eines Reduktionsmittels (Natriumdithionit aka Hydrosulfit) in gelblichen Leukoindigo verwandeln. Erst der kann sich an Stoff anlagern. Nimmt man dann das Färbegut aus der Brühe heraus, ist es erst gelb und wird dann an der Luft allmählich blau – ein faszinierendes Spektakel!
 
Aber es war wie verhext: Die Brühe wurde nicht gelb mit blauem Schaum obendrauf, sondern gelbbraun und klar. Der Stoff kam nicht quietschgelb-grünlich heraus, sondern blaßgelb, und was die Oxydation zu Blau betraf: Nichts. Niente. Ingenting. Bestenfalls ein leichter Rosa-Schimmer. *Schluchz* Das Drama wiederholte sich dann mit einem anderen Küpenrezept, das statt NaOH (das ich restlos verbraucht hatte) Soda und statt Natrumdithionit aus dem Chemikalienhandel (schwer zu bekommen) einfach Entfärber benutzte, der zu ca. 1/3 aus Natriumdithionit besteht. Das einzige, was beide Male gleich war: der Indigo. Also konnte nur der schuld sein. Ich bestellte also neuen Indigo, und während ich darauf wartete, schaute ich mal bei Google Books, das die über Indigofärberei haben.
 
Meinen Epochen-Präferenzen entprechend gleich mal etwas aus dem 18. und frühen 19. Jh.:
Gülich, Jeremias. Vollständiges Färbe- und Blaichbuch zu mehrern Unterricht, Nutzen… Ulm 1779
Gehlen, Adolph Ferdinand. Anleitung zum Bau der Waidpflanze, und zur Bereitung des Küpen-Waids und des Indigs. München, 1814

Die Indigoküpe im ersten Buch funktioniert interessanterweise weder mit den o.g. Chemikalien, noch ist es die berüchtigte Urinküpe, von der man immer hört. Als alkalisches Lösungsmittel benutzen sie Pottasche oder Soda, als Reduktionsmittel – man glaubt es kaum – Kleie und Krapp! Jaja, genau das Zeug, das man sonst zum Rotfärben benutzt.
 
In einem anderen Buch fiel mir beim Querlesen etwas anderes auf: „it has a shining copper-red color“. Hmmm, das klingt ja wie mein Indigopulver! Da war mir auch so ein rötlicher Schimmer aufgefallen. Und was ist das, was laut Buch kupfrig glänzt? Indigo gelöst in Schwefelsäure… ausgefällt mit Pottasche… Indigocarmin! Wasserlöslich! Das im 18. Jh. so beliebte Sächsischblau!
Wenn das wahr ist, dann brauche ich das Pulver bloß in kaltes Wasser zu rühren, Wolle rein, abwarten, fertig. Das muß sofort ausprobiert werden!
 
Hier unten Bilder des Indigocarmin- und Indigopulvers, das inzwischen angekommen ist. Das Indigocarmin ist rötlicher, mit einer Spur Silbergrau, und schimmert tatsächlich etwas. Das Indigo ist von sehr dunklem Marineblau und matt.

Indigocarmin

Indigocarmin

Indigo

Indigo

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