Ein Trachtenmieder, 19. Jh.

Für die Veranstaltung in zwei Wochen, für die auch das Tournürenkleid fertig werden mußte, brauche ich auch noch ein Trachtenmieder. Ich kann ja nicht einganzes Wochenende lang in dem einen Tournürenkleid herumlaufen – schon gar nicht, wenn ich mal Feuer schüren und kochen will.

Da ich keine „einfache“ Kleidung fürs 19. Jh. habe und die Zeit nicht reicht, eine zu machen, ist meine Idee, die einfache 18.-Jh.-Klamotte zu nehmen (Hemd, Rock, Schürze, Fichu) und sie mit einem Trachtenmieder im Stil des 19. Jh. zu kombinieren. Dann noch eine Riegelhaube dazu, und voilà! eine einfache Variante der Münchner Tracht.

Da es schnell gehen muß und ich keine Festtagstracht will, nehme ich, was ich im Stoffvorrat habe: Grobes Bauernleinen für die innere Lage, schwarzes Leinen als Oberstoff und karierte Ex-Bettwäsche als Futter. Auf eine Gelegenheit, ein kariertes Futter zu machen, habe ich schon lange gelauert. Normalerweise wird der Verschluß mit drei Haken und drei Ketten gemacht, aber die habe ich nicht und bezweifle, daß ich rechtzeitig welche bekomme. Also mache ich eine Schnürung. Das ist die frühere Variante.

Der Schnitt ist denkbar einfach und schnell auf eine andere Größe angepaßt. Das Zuschneiden war also in einer halben Stunde erledigt.

Dann habe ich Oberstoff und Innenlage glatt aufeinander festgeheftet und auf der Innenseite die Vorzeichnung für die Stäbe gemacht. Bleistift brachte es auf dem groben Leinen nicht, aber mit Kugelschreiber ging es ganz gut. Später wird man das sowieso nicht mehr sehen.

Anzeichnung innenSchon ging es los mit dem Heften der Tunnel: Einmal die hintere Mitte entlang, dann auf jeder Seite davon so breit, daß ein Plastik- oder Metall-Fischbeinstab hineinpaßt. Dann die gebogenen Tunnel für die Peddigrohr-Stäbe. Als erstes habe ich die beiden Stofflagen nochmal entlang der Anzeichnung festgesteckt, weil die Stoffe sich leicht verziehen. Dann nähte ich mit schwarzem Leinengarn mit Vorstich die Linie entlang.

Zuerst versuchte ich, zuerst den Tunnel zu nähen und dann den Stab einzuschieben, weil man (a) mehrfach auf- und abstechen kann, solange der Stoff sich noch biegen läßt, und (b) sich die Teile insgesamt besser verarbeiten lassen, solange sie nicht versteift sind. Aber leider sind beide Leinenstoffe so locker gewebt, daß die Spitzen der Stäbe sich ständig im Stoff verhaken und versuchen, nach außen durchzustechen. Das nachträgliche Einschieben der Stäbe erwies sich somit als mühsamer als die Alternative:

Stab einlegenLinie 1 nähen, Stab ablängen und an die Linie drücken, mit Nadeln fixieren, Linie 2 dicht am Stab nähen. Dabei kann man zwar immer nur einen Stich auf einmal machen, aber es geht allemal schneller.

Nach ca. 16 Stunden Akkordnähen war das Rückenteil fertig. Da das Peddigrohr aufgewickelt war, verzog es die Stoffteile in alle Möglichen Richtungen. Also tunkte ich das fertige Teil in Wasser, bis das Rohr durchfeuchtet und somit biegsam war. Dann legte ich es auf einem Handtuch auf einem dicken Teppich aus, spannte es auf und befestigte es so mit Nadeln, die ich in den Teppich jagte. Ein Handtuch drüber, und darauf ein Stapel schwerer Bücher. So blieb es über Nacht.

Die Vorderteile dauerten noch einmal so lange. Auf dem Bild unten sieht man, glaube ich, ganz gut, wie verzogen ein Teil vor dem pressen ist.

verzogen

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