Trachtenmieder, Fortsetzung

Da die Tage länger werden, kann ich auch länger am Mieder arbeiten. Beide Vorderteile sind inzwischen fertig.
Die Stickerei wird oben und unten von einem Doppeltunnel umrahmt, mit je einem Peddigrohr-Stab darin. Darunter liegen schräg nach außen geneigte, leicht gebogene Doppeltunnel. Beim Original waren die Tunnel mit fein glattgeschliffenen Fischbeinstäben gefüllt.
 
Als Ersatz benutze ich, wie schon beim ersten Mieder, runde Peddigrohrstäbe von ca. 1,5 mm Durchmesser. Dünnes, rundes Peddig ist ziemlich elastisch und an der Oberfläche recht rauh, mit hie und da abstehenden Fasern. Deshalb kann man es nicht, wie bei einer mit Fischbein- oder Plastikstäben versteiften Schnürbrust, erst nachträglich in die fertigen Tunnel einschieben: Der Tunnel müßte recht weit sein, damit es selbst dann flutscht, wenn abstehende Fasern zu Widerhaken werden, aber die Tunnel sollten eher eng sein, damit sie sich außen plastisch abzeichnen. Nur: Wenn es mal ein bißchen eng wird, müßte man so fest schieben, daß das Material sich stauchen oder gar knicken würde. Ist das einmal passiert, kann man den Stab nur noch wegwerfen.
 
Also kommt man um die mühsamere Variante nicht herum: Erst eine Tunnelnaht machen, dann den Stab dagegendrücken, ihn fixieren, dann die andere Tunnelnaht nähen. Da sich der Stoff nun nicht mehr biegen läßt, kann man die Nadel nicht mehr bequem auf- und abführen, d.h. man muß jeden Stich einzeln machen. Das ist ziemlich zeitaufwendig.


Zum fixieren habe ich im Abstand von ca. 2 cm Nadeln senkrecht von außen durch den Stoff gestochen und sie dann seitlich wieder hoch (linkes Bild oben). Das hatte den leidigen Effekt, daß sich die innere Leinenlage eher um den Stab rundet als der Oberstoff. Eigentlich sollte es andersrum sein – einerseits, damit die Stäbe sich nicht so auf die Haut durchdrücken, andererseits, weil wie oben gesagt die Plastizität der Stäbe ein wichtiges dekoratives Element darstellt – und das gehört nun mal auf die Außenseite. Vielleicht hilft es, die Halte-Nadeln von innen her durchzustecken. Das habe ich bisher vermieden, weil ich fürchte, daß ich mich dauernd an den unsichtbaren Nadeln stechen und aufkratzen würde. Wie man’s macht, macht man’s falsch.
 
Wenn man die Stäbe nach und nach einnäht, ist die richtige Reihenfolge wichtig: Die innerste Tunnelnaht muß zuerst gemacht werden (also z.B. die quer unter der Stickerei), dann der innere Stab, dann der äußere, und dann erst die darunter schräg verlaufenden. Nur so kann man jeden Stab von den Stoffkanten her einschieben, ohne daß es Engstellen gibt.
 
Als zusätzliche Schwierigkeit sind meine Katzen gerade im frühjährlichen Fellwechsel, was auf dem Foto von der Außenseite (oben links) kaum zu übersehen ist. Ich muß die Werkstücke oft mit einem Klebroller bearbeiten, damit ich die Katzenhaare nicht mit einnähe. Außerdem sorgt die Handhabung beim Tunnelnähen dafür, daß die Sticktiche an den Blattspitzen, die weitgehend parallel zur Kante der Kartonunterlage liegen und schon beim Sticken nur mit gutem Zureden dazu zu überreden waren, nicht davon herunterzurutschen, nun genau das tun. Ich kann sie zwar wieder auf den Karton hinaufhebeln, aber wie lang wird das wohl halten, wenn ich das Mieder dann mal trage?

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