Nachdem mein heimisches Computer-Setup dem covid-19-bedingten Homeoffice weichen mußte, kam ich monatelang nicht mehr an meine gesammelten Bilder ran. Jetzt geht es wieder, allerdings habe ich vergessen, welche Details aus GNM und BNM ich präsentieren wollte. Ich habe daher einfach ein paar Bilder herausgesucht, die ich spannend fand, auch ohne Zusammenhang untereinander.
Rote Robe, um 1740 (BNM)
Die Rote Robe habe ich zwar schon in den beiden ersten „Nachts im Museum“-Artikeln erwähnt, aber vergessen die Datierung des Museums hinzuzufügen. Man geht davon aus, daß es um 1740 als Andrienne gefertigt und dann um oder vor 1775 so abgeändert, daß die Taille anliegt. Wahrscheinlich kam bei dieser Gelegenheit auch die Compère dazu; 1740 wäre dafür doch etwas früh.
Den Stoff und die Ärmel haben wir schon genauer betrachtet.
Der Saum der Roten Robe hat irgendeine Art Kantenschutz. Man kommt leider nicht nah genug ran, um zu erkennen, was es ist. Für mich sieht es nach einem um den Saum gelegten Band aus, wie man es sonst v.a. von Wollröcken kennt. Oft sieht man so einen Kantenschutz nicht; bisher kannte ich nur einen Vorstoß aus einem helleren Stoff.
Den zweiten Bildausschnitt, der ungefähr auf die Solarplexus-Region zielt, habe ich vor allem wegen der Stückelnaht in der Rüsche gewählt. Eindeutig eine Rückstichnaht, aber dieses Garn! Ein gravottisches, dickes, naturfarbenes Leinengarn, viel dicker als die Fäden des Stoffes. Die Rüsche wurde mit dem gleichen Garn angenäht. Bei den Ärmelrüschen hingegen hat man einen dünnen roten Faden genomen. Warum? Weder die Compère noch die Rüschendeko darauf noch Ärmelvolants entsprechen dem Zeitgeschmack von 1740 umadum; alle drei müssen nachträglich geändert worden sein, und dann doch wohl gleichzeitig auf einen Sitz. Jedenfalls ist es recht faszinierend, daß man sich offenbar nicht weiter bemührt hat, diese Stückelnaht wenigstens zu verstecken, oh nein! Brettlbreit sitzt sie mittig auf der Oberseite.
Posamentenknöpfe sind auch etwas, das man nicht alle Tage auf einer Compère sieht. Auch sie müßten nachträglich hinzugekommen sein. Die untersten sind noch weitgehend unversehrt, die oberen ziemlich berieben und der der oberste im Bild sieht so aus, als hätte man mit dickerem Seidenzwirn versucht, die sich auflösenden Wickungen aus ungesponnenem Filament festzuhalten. Das zugehörige Knopfloch ist ausgerissen und auf der gegenüberliegenden Seite, unterhalb der Stückelung, ist die Kante der Rüsche ausgefranst. Dieses Kleid wurde nach seiner Verwandlung offenbar noch oft getragen.
Und schließlich, weil ich es nicht oft genug betonen kann: Links über rechts geknöpft! Nein, nicht nur bei dieser Robe, sondern auch bei der aus gestreiftem Taft (um 1750), ach was, bei praktisch allen.
Schnürbrust, süddeutsch (?), Mitte 18. Jh. (BNM)
Die auf der Museumstafel mit einem Fragezeichen versehene Angabe zur regionalen Herkunft rührt wohl daher, daß es im grob süddeutschen Raum einige ähnliche Exemplare gibt – die meisten haben zwar echte Stecker und Schnürungen, aber manche (z.B. „Adrett geschnürt“, Kat.-Nr. 4-8) tun nur so, wie dieses hier. Es gibt sie mit sichtbaren Tunnelnähten und ohne, aber immer mit dekorativem Seiden-Oberstoff.
Nach innen lassen sie einen ja eher selten schauen, dafür muß man schon die Kamera in die Höhe halten und hoffen, daß der Autofokus richtig fokussiert. Wie so oft ist das Futter gestückelt: Aus einem cremefarbenen, dichten Leinen unten, einem eher locker gewebten und windig wirkenden Leinen mit leichtem Rosaton oben, und oben neben der Schnürung ein schwach gestreifter Köper mit wechselnder Gratrichtung. Ich war ja schon lange hinter der Frage her, ob und inwiefern Fischgrat für Kleidung verwendet wurde, aber leider ist das Foto nicht gut genug, um sagen zu können, ob das hier ein Fischgrat ist oder „nur“ ein normaler Spitzköper. Und selbst wenn, wäre es nur ein Flicken. *seufz*
Auf eine sache möchte ich noch eben die Aufmerksamkeit lenken: Die Schnürösen. Sie sind bestimmt wie üblich umstochen, aber nichts davon schlägt sich auf die Futterseite durch. Bei der alleruntersten Öse meine ich unter Vergrößerung die Ösenstiche zu erkennen, wie sie den nach innen umgeschlagenen Oberstoff umfangen. Entweder hat es so lange Fäden aus dem Leinen gezogen, bis es sich von den Ösenstichen gelöst hatte, oder man hat nie ernsthaft versucht, das Leinen mitzufassen. Daß das Futter ausgewechselt wurde, ist möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. Eher war es bei der Herstellung ebenso egal wie die unterschliedlich zusammengestückelten Stoffe.
Wie bei anscheinend den meisten (grob) süddeutschen Schnürbrüsten werden auch hier die Nähte zwischen den Schnitteilen von farblich passendem Schußripsband mit Picots abgedeckt (siehe auch das Dachauer Mieder). Das gleiche Band bildet auch die Schein-Schnürung, von der man im Detailbild schön sehen kann, daß sie nicht über die gesamte Breite hin und her geht, sondern in der Mitte einmal mit sich selbst verschlungen wurde. Was der graue Böbbel unterhalb der ersten Verschlingung ist, kann ich leider auch nicht sagen, das gibt das Bildmaterial nicht her.