Zum Calimanco-Projekt:
Den Schuß werde ich wohl selber spinnen müssen, denn es ist schon schwer genug, überhaupt einfädiges Wollgarn zu bekommen, geschweige denn in dünn, geschweige denn als Kettgarn geeignet. Außerdem heißt es in den diversen Quellen immer wieder, die Garne seien aus besonders langstapeliger und glänzender Wolle gesponnen worden. Beim Versuch, herauszufinden, was für Schafrassen das gewesen sein könnten, landete ich immer wieder bei englischen Longwools: Perendale, Romney, Wensleydale, Leicester Longwool, Cotswold und Coopworth wurden häufiger genannt. Auch Bluefaced Leicester wurde genannt, aber ich frage mich, ob da nicht eine Verwechslung mit Leicester Longwool vorlag. Die einzige nicht-englische Rasse, die mir genannt wurde und geeignet erschien, war Gotland.
Zuerst war ich etwas verwirrt, daß anscheinend so gar keine außerbritische Rasse auftauchte. Aber beim weiteren Recherchieren wurde deutlich, daß offenbar alle Wolldamaste und -brokate und sehr wahrscheinlich alle Calimancos von Norwich aus nach ganz Europa und Nordamerika exportiert wurden. Da liegt es dann nahe, daß die Wolle ebenfalls aus England stammte. Der englische Begriff für Kammgarn, worsted, soll ja auch nach Worstead benannt sein, das von Norwich ungefähr zweimal umfallen entfernt ist. Bleibt noch die Frage, was zuerst da war: Langaarige englische Schafe, für deren un-flauschige Wolle man sich eine möglichst gewinnbringende Verwendung überlegte, oder die Nachfrage der Weber, für die man extra noch langhaarigere Schafe züchtete? Aber für mein Projekt ist das unwichtig.
Da ich nicht auch noch Rohvliese aus England importieren und händisch kämmen will, kommen für mich nur solche Schafrassen in Frage, für die ich fertige Kammzüge kaufen kann. Dadurch fallen z.B. Cotswold und Leicester Longwool raus. Wobei kommerzielle Kammzüge, nach allem, was ich weiß, eigentlich nicht gekämmt sind, sondern Kardenbänder. D.h. die Wolle wird kardiert, dann in längliche Bänder aufgeteilt und diese gesteckt, was die Fasern ähnlich parallelisiert wie es beim kämmen der Fall wäre, aber doch anders als bei einem handgekämmten Kammzug. Das würde eigentlich für händische Verarbeitung ab Vlies sprechen, aber der Tag hat halt nur 24 Stunden (schrieb sie zur Geisterstund‘).
Hier nun die Ergebnisse meiner bisherigen Spinn-Tests:
Wensleydale: Ziemlich grob, 40-60 mic. Ich kenne die langen Locken; laut Anbieter 20-30 cm Stapellänge, was eigentlich toll wäre. Aber. Ich pflege beim spinnen ein Stück Kardenband abzureißen und es über das Schwungrad meines Spinnrads zu schlagen, um es aufzulockern. Dabei flogen mir Flocken um die Ohren, die aus kurzen (bis 5 cm) Fasern bestanden. Also viel zu kurz für diese Rasse. Auch die restlichen Fasern waren sehr viel kürzer als 20 cm, und da Wensley sehr glatt ist, mußte das Garn ziemlich dick werden, weil es sonst nicht zusammengehalten hätte. Offenbar hat der Anbieter hier, met verlöff, met verlöff, Scheißqualität geliefert. Obendrein ist die Wolle eher gelblich, während die Calimanco-Stoffproben richtig weiße Streifen aufweisen. Falls also die Garne nicht noch irgendwie gebleicht wurden, ist Wensleydale nicht die Schafrasse der Weber von Norwich. (Nachtrag: Wikipedia sagt, Wensleydale wurde erst im 19. Jh. gezüchtet, und zwar aus Teeswater und New Leicester, heute Bluefaced Leicester genannt. Fürs 18. Jh. also höchstens dann geeignet, wenn alle anderen Stricke reißen.)
Gotland ähnelt Wensleydale insofern, als es grob, flutschig und langstapelig ist, aber es ist meistens grau, und das paßt nicht zu den bunten Farben der Stoffproben. Zwar kann man mittlerweile auch weiße Kardenbänder kaufen, aber ich wurde gewarnt, daß die von worldofwool.co.uk minderwertig seien, also werde ich sie vorraussichtlich nicht testen.
Perendale: Etwas feiner (um 30 mic) und kürzer (8-12 cm) als Wensley, aber tatsächlich länger, weil – siehe unter Wensley. Daher leicht im kurzen Auszug zu spinnen. Nur leicht gelblich, geringfügig glänzend. Als neuseeländische Rasse kommen sie streng genommen auch nicht in Frage.
Romney: Noch etwas feiner (knapp unter 30 mic) und kürzer (80 mm), mit deutlich mehr Crimp. Sehr leicht dünn zu spinnren. Hätte ich persönlich nicht für longwool gehalten. Das fertige Garn hat auch nicht auffallend mehr oder weniger Glanz als z.B. Perendale.
Bluefaced Leicester: Ähnlich wie Romney, aber noch feiner, unwesentlich länger (80-95). Aber teuer.
Von der Stapellänge her sind eigentlich die meisten bisher genannten nicht besonders lang, besonders wenn man bedenkt, daß es im allgemeinen heißt, daß Fasern unter 6-7 cm zu kurz zum kämmen seien. EDIT Und tatsächlich hat spätere Recherche ergeben (siehe nächster Eintrag), daß Romney und Bluefaced Leicester nur noch theoretisch oder vielleicht aus Gründen der Tradition zu den Longwools zählen: Das Romney war um 1805 auf dem Weg zur mittelstapeligen Flauschwolle, das Dishley aka New Leicester aka Bluefaced Leicester war schon angekommen. Und tschüss.
Was bedeutet das nun für mein Projekt? Soll ich mich damit zufriedengeben, daß es die nötigen Wollsorten nicht mehr gibt, und einfach diejenige wählen, die sich am besten spinnen läßt?
Was wären die Alternativen? Das Tog zweiwolliger Rassen ist definitiv zu grob, das habe ich mit Ouessant und Islandschaf schon durch. Selbst wenn sich eine Rasse mit weichem Tog fände, wäre es mir bei diesem Projekt zu viel Fertigungstiefe.
Was mir Hoffnung gibt:
Calimancos wurden atlasbindig gewebt. Folglich sieht man von der Kette fast nichts. Ich könnte also gezwirntes Garn für die Kette zukaufen, notfalls auch Streichgarn. Das 28/2 von Venne soll Kammgarn sein, ist aber dicker als mein bisher gesponnenes Kammgarn, und wohl auch zu dick für calimanco, auch wenn ich da die Fadendicke nur erahnen kann.
Ein großer Teil des berühmten Glanzes wurde, den Quellen zufolge, durch kalandern bewerkstelligt. Die Bedeutung der Faser für den Glanz des Gewebes wäre demnach geringer als bisher angenommen. Wenn dem so wäre, könnte man vielleicht ebensogut hochfeine Merino wählen. Vielleicht. Aber wo nehme ich dann einen Kalander her?
2 Antworten auf Kammgarnspinnerei