Ich wollte ja schon lange mal ein paar spannende Detailfotos historischer Textilien zeigen, aber erst seit gestern habe ich Bildmaterial ohne Urheberrechtsprobleme. Als ich das letzte Mal Gelegenheit hatte, in einem Museum Fotos zu machen, hatte ich in einem Anfall geistiger Umnachtung darauf verzichtet, die gscheite Kamera mitzunehmen. Die kann doch auch nur 13MP, genau wie die Handycam, also reicht das Handy doch, oder? Pustekuchen. War ich enttäuscht, als ich daheim die Fotos auspackte!
Aber gestern war ich bei einem Bloggerwalk im Bayerischen Nationalmuseum, und als ich dann die Bilder sichtete, war klar: Jetzt muß es raus!
Das Handy hatte ich natürlich auch dabei, so daß man hier den Unterschied schön sehen kann:
Aber kommen wir zum Wesentlichen: Die Klamotten. Wenn man aus Richtung der Jagdabteilung kommt, lockt schon von Ferne eine Robe à la Française aus Baumwollstoff, und man denkt: Och, hübsch. Chintz. Und ja, an manchen Stellen glänzt der Stoff auch wie gechintzt. Aber nein, der handelsübliche Zitz des 18. Jahrhunderts war gedruckt – dieser hier ist bemalt.
Ich habe lange an den maximal vergrößerten Fotos rumgegrübelt, woher man weiß, daß der Stoff bemalt ist. Die Auswahl der Farben ist nämlich exakt die gleiche wie bei krappgefärbten Zitzen. Vor allem das leicht ins gräuliche neigende Violett ist genau jener Farbton, den man erhält, wenn man mit Krapp auf einer schwachen Eisenbeize färbt. Es gibt nur einige wenige Stellen, die so aussehen, als müßten sie definitiv gemalt sein, nämlich da, wo Farbübergänge angedeutet werden sollen. Fließende Übergänge kann man im Modeldruck nicht darstellen, also wird gewissermaßen schraffiert. Diese Schraffuren wiederum dürfen nicht allzu fein sein, sonst bricht dort das Holz der Druckmodel zu schnell. Deshalb sind die Zitz-Muster der Zeit ziemlich, nun ja, holzschnittartig. An diesem Stoff nun gibt es einige wenige Stellen, wo diese Schraffuren zu fein aussehen, eher wie mit fast trockenem Pinsel auf die Oberfläche gehaucht. Beim folgenden Bild wäre das z.B. das Blau ganz links unten – allerdings ist das Blau, und Indigo wurde meines Wissens sowieso oft händisch aufgemalt, nachdem die Rotfärbung durch war.
In diesem zweiten Bild ist es Rot. Ich vermute ja, daß die Farben nicht alle direkt auf den Stoff gepinselt wurde, sonder daß der Maler unterschiedliche Beizen auf den Stoff gemalt hat, und daß dann der Stoff genau so in ein Krapp-Bad getaucht wurde wie bedruckte Zitze. Die verschiedenen Beizen zeigten sich dann als verschiedene Farbtöne: Rot, Violett, Rosa und Schwarz. Da Krapp, wie die meisten Pflanzenfarben, nur dann dauerhaft im Stoff bleibt, wenn dieser zuvor gebeizt wurde, konnte man die restlichen Stellen nach dem Färben wieder weiß waschen und dann die anderen Farben – Gelb und Blau – aufmalen.
Und weil ich jetzt echt Hunger kriege, nur noch ein Bild, weil es sich schön als Übergang zum nächsten Detail-Thema eignet: Ärmel.
Als ich meine erste Zitz-Robe nähte, frug ich mich, wie man die Volants versäubert, wenn man sie nicht auszäcken kann (was vernünftig nur bei gutem Taft geht). Optisch am schönsten ist sicherlich, wenn man ein Futter aufdoppelt, aber schon damals wußte ich, daß das, was die Handarbeitslehrerin schön fand, nichts mit dem zu tun hat, was man in 18. Jahrhundert machte. Und überhaupt kommt Volant von voler (fliegen), und doppellagiger Stoff ist deutlich weniger flugfähig als einlagiger.
Die Antwort gab mir damals irgendein Gemälde in irgendeiner Ausstellung, in der man mal wieder nicht fotografieren durfte (grrrrr): zweimal schmal umgebugt, wie man es halt so macht beim versäubern. Daß das bei den in Bogen geschnittenen Kanten von Ärmelvolants nicht gerade einfach ist, ist dann halt ein Fall von „heul doch“. Dank der Roten Robe habe ich jetzt endlich ein Beweisfoto dafür.
Außerdem bitte ich zu beachten: Roter Nähfaden, der manchmal entlang der Kante nach außen tritt (also auch nicht ordentlicher als meine Werke!). Zwischen den gereihten Falten (die recht steif aussehen; vermutlich liegt der Stoff doppelt oder 3fach) zeigt sich hie und da roter Reihfaden. Und an der Oberkante, mitten im gereihten Teil, wurde anscheinend sogar gestückelt.
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