Bauer sucht Frau

Nein, Schirmdach sucht Gestell. Normalerweise ist es andersrum: Man hat ein Gestell und muß ein geeignetes Schirmdach finden.
 
Mir fällt auf, daß ich die Kandidaten noch gar nicht vorgestellt habe. Beide wohnen schon seit Jahren bei mir und brauchen einen neuen Deckel.
 
Kandidat 1
Kandidat nr. 1 war schon skelettiert, als ich ihn kaufte.

Die Streben aus Fischbein haben Schäden, die an die Fraßspuren von Holzwürmern erinnern. Eine der Streben war bis gut zur Hälfte des Querschnitts durchgeknabbert, so daß ich befürchten muß, daß die Strebe unter Belastung bricht. Schon kurz nach dem Kauf habe ich deshalb dieses Loch mit suuuperauthentischem Zweikomponenten-Epoxy-Haumichtot ausgefüllt und dann eine Hülse aus Weißblech (=aufgeschnittene Getränkedose) drumherum geklebt, quasi als Schiene. Ob das hält, werde ich erst wissen, wenn es knackt – oder nicht. Allzu viel Spannung sollte ich jedenfalls nicht aufbringen.
Der Stock ist auf ganzer Länge aus Bein, schön beschnitzt und gut erhalten. Deshalb, und weil Schirme mit Fischbeinstreben für gewöhnlich älter sind als 1850, war dieses Skelett auch relativ teuer. Knapp jenseits der 100 Euro, glaube ich.
Dies ist der Kandidat mit 50 cm Durchmesser.
 
k2ges

k2innen
Kandidat nr. 2 ist ein Knicker, d.h. der Stock ist dafür eingerichtet, daß man ihn zusammenfalten kann, so daß der Schirm nur noch halb so lang ist. Der Stiel ist aus schwarz lackiertem Holz, die Streben wiederum aus Fischbein. Demnach ist auch dieser Schirm sehr wahrscheinlich aus der ersten Hälfte des 19. Jh. Das Schirmdach ist aus schwarzem Taft mit schwarzen Fransen oben um die Mittelfiale und am unteren Rand entlang. Die Spitze trägt eine Kappe aus schwarzem Holz, von der die Hälfte fehlt. Am unteren Ende des Stiels fehlt auch etwas, das auf einen Pinöckel aufgesteckt war. Das Schirmdach ist zwar noch komplett erhalten, aber wie so oft entlang der Mittelfalte fast jedes Segments gerissen. Kandidat 2 habe ich relativ günstig aus der Bucht gefischt, als die Konkurrenz offenbar schlief. Das kam damals öfter vor als heute, leider.
 
Welchen wählen? Für nr. 1 spricht das edle Material, das so etwas arbeitsreiches wie Strickspitze verdient. Die angefressenen Streben würden sich sicher freuen über ein Schirmdach, das auch nicht viel Spannung verträgt, weil es, wie im vorigen Post gesagt, sowieso zu groß ist.
Aber er ist zu klein.
 
Für nr. 2 spricht die Größe. Und… naja, um ehrlich zu sein, ich habe ein paar Fehler beim stricken gemacht, die man auch sieht, und vielleicht sollte ich dieses fehlerhafte Schirmdach auf diesen tun und ein neues, besseres, kleineres, das auch nicht flach aufliegt, sondern die Form eines Schirmdachs hat, auf den kostbareren Schirm aufziehen. Logisch betrachtet ist letzteres die bessere Variante. Aber was, wenn ich mich nicht aufraffen kann, das Ganze nochmal zu machen?

Kandidat 1 mit viel Überhang

Kandidat 1 mit viel Überhang

Kandidat 2 bei der Anprobe

Kandidat 2 bei der Anprobe

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