Da der Schnitt des Kimono kaum Variationen aufweist, kommt den Unterschieden in Farben, Stoffmuster und Stoffart entsprechend größere Bedeutung zu. Diese Variablen können fast so viel Bedeutung vermitteln wie Sprache und sehr viel mehr als westliche Kleidung zu irgendeiner Zeit konnte.
Vor Jahrhunderten folgte die Stoffwahl Regeln des Status, Alters und der Jahreszeiten, deren Komplexität für uns heute nicht mehr nachvollziehbar ist. Mißachtung bzw. Unkenntnis der Regeln wurde von gnadenlosen Kritikern mit dem Prädikat "geschmacksverirrt" bestraft.
Natürlich waren diese strengen Regeln nur in den obersten Schichten der Gesellschaft gültig, also am Kaiserhof, den Höfen des Shôgun und der Daimyô sowie unter den reichen Handelsfamilien. Die heutigen Japaner kennen nur noch einen Bruchteil davon, achten aber doch sehr darauf, daß Farben und Muster zur Jahreszeit, zum Alter des Trägers und zum Anlaß passen. Falls Du vorhast, japanische Kleidung in Anwesenheit von Japanern zu tragen, solltest Du Dich unbedingt von einer/einem japanischen Vertrauten beraten lassen. (Außer natürlich, wenn das Ganze als Gag gedacht ist.)
Es gibt unendlich viele Kombinationen von Material und Webart, von denen viele im Westen nicht zu finden sind. Traditionelle Materialien sind z.B. Hanf und Abaca in Leinenbindung für Arbeitskleidung und Yukata, und natürlich Seide für formelle Kleidung. Statt des Leinens findet man heute meist Baumwolle, die seit dem 17. Jh. importiert wird. Feinere Stoffe kommen als Twill, verschiedene Arten von Satin und Crêpe sowie in Leinenbindung daher.
Allgemein kann man sagen, daß die heute üblichen
Stoffe nur einen leichten Glanz aufweisen sollten, nie den starken
Glanz von Atlas-Satin. Der häufigste Stoff, aus dem wohl
90% aller Kimono bestehen, ist eine Art relativ dicken, aber
geschmeidigen Crêpes aus überdrehtem Garn, das ein
kleines Wellenmuster ergibt und leicht glänzt. Die Stoffe
bestehen in den unteren Preislagen aus Synthetik, in den oberen
natürlich aus Seide. Es gibt aber wohlgemerkt auch traditionsreiche
Stoffe aus Hanfleinen o.ä. eher groben Materialien, die
aufgrund ihrer aufwendigen Herstellung in eng begrenzten Gebieten
Preise erzielen, die schlicht verarbeitete Seide weit in den
Schatten stellen.
Als Daumenregel gilt: Mit zunehmendem Alter des Trägers/der Trägerin werden die Farben gedeckter und die Muster kleinteiliger und abstrakter. Männerkleidung ist insgesamt in gedeckteren Farben gehalten als Frauenkleidung. Kinder tragen leuchtende, helle Farben wie Rot, Pink, Blau, Giftgrün, Lila. Heranwachsende Mädchen und unverheiratete Frauen tragen ebenfalls leuchtende Farben, aber auch helle, pastellige Töne. Die Muster sind figürliche Darstellungen von Blumen, Vögeln, Landschaften oder traditionellen Artefakten wie z.B. Handtrommeln oder Wasserrädern. Das Futter ist wollweiß bis cremefarben und hat am Saum und den Vorderkanten oft einen Streifen in zum Oberstoff passender Farbe, der in das wollweiß hinein verläuft. Teilweise besteht auch das Futter im unteren Teil und in den Ärmeln aus roter Seide.
Der Brautkimono ist meist (aber nicht immer) rot, schwarz oder weiß und so dicht mit Stickerei, Gold- und Silberfaden und -folie verziert, daß er fast von alleine steht. Rot oder Orange und Weiß sind Glücksfarben, Schwarz ist zeremoniell. Der Saum ist dick Wattiert und wie eine Schleppe nach hinten gezogen, so daß der Kimono sich vorn öffnet und darunter einen schönen Kosode hervorblitzen läßt. Auf der Schleppe kommt die Dekoration natürlich besonders gut zur Geltung.
Verheiratete Frauen tragen Blau, Grün, Braun, Grau und ähnlich gedeckte Farben mit schlichten Mustern entweder abstrakter, geometrischer Art oder kleinteilig-figürlich und sich wiederholend. (Bambusgitter, abstrahiertes Schildpatt etc.) Je älter die Trägerin, desto kleiner und abstrakter das Muster. Für festliche Anlässe wie Hochzeiten, Beerdigungen oder Jubiläen ist ein schwarzer Kimono (kuro-tomesode) angebracht. Das oft sehr bunte, meist figürliche Muster erstreckt sich nur über den unteren Teil dieses Kimono und Teilweise über die Ärmel, wobei sich der prächtigste Teil (mit Silber und Gold) auf der linken Vorderklappe befindet, die ja über der rechten getragen wird. Bei Beerdigungen allerdings wird die rechte Klappe außen getragen, so daß die Prachtentfaltung gedämpft wird. Fünf Familienwappen sitzen auf der hinteren Mitte und in der Mitte der Oberkante jedes Ärmels, je eins hinten und vorn. Das Futter ist weiß oder rot. Diese Tomesode sind m.E. weit schöner als die überladenen Hochzeitskimonos; der Gipfel japanischer Eleganz.
Männerkleidung der Oberschicht war in früheren Zeiten durchaus relativ bunt, wie man auch in Spätwerken Kurosawas sehen kann (die älteren Filme sind ja schwarz-weiß ;-)). Im Verlauf der 19. Jh. nahm aber, möglicherweise unter europäischem Einfluß, die Farbigkeit ab. Ein Erwachsener wählt heute Dunkelblau, Braun, Grau und Schwarz, entweder uni oder mit kleinen, geometrischen Mustern. Das Futter ist fast immer blau.
Männlein wie Weiblein tragen im Sommer Yukata aus Baumwolle, die standardmäßig weiß und indigoblau gemustert sind. Von großflächigen geometrischen oder figürlichen bis zu kleinteiligen, abstrakten Mustern kommt alles vor. Hier sind auch gleiche Muster für beiderlei Geschlecht drin. Manche Yukata für Frauen weichen vom weiß-blau-Schema ab; sie werden v.a. dann getragen, wenn die Assoziation mit Baden/Gammeln/Schlafen nicht erwünscht ist.
Es gibt eine große Menge an ausgeklügelten Dekorationstechniken, die sich der moderne Japaner kaum noch leisten kann, weil sie sehr viel Handarbeit erfordern. Handwerkliches Können ist in Japan nicht nur hoch angesehen, sondern auch hochbezahlt. Diese Muster entstehen duch verschiedene Webtechniken (z.B. Brokate), durch Hoch- und Reservedruck, Malerei, Schablonieren, Abbinden, Stickerei oder aus Kombinationen mehrerer dieser Techniken. Der moderne Kimono kommt meist mit Offsetdruck-Imitationen dieser Techniken aus und kostet trotzdem leicht mal ein Monatsgehalt.
Eine recht einfache, aber teure Methode ist die Abbindetechnik, bei der Teile des Stoffes fest mit Garn umwickelt werden, so daß beim Färben die abgebundenen Stellen weiß bleiben. Mit der Abbindefärberei der Flower-Power-Ära hat die japanische Variante nur das Prinzip gemeinsam: Die Muster setzen sich aus vielen kleinen Kreisen von 2-3 mm Durchmesser zu einer Figur zusammen, wie z.B. zu dem Kürbis im Bild rechts. Neben Abbinden durch umwickeln mit Garn kommen auch Nähte, Abklemmen, Knoten und das Wickeln um einen Baumstamm zur Anwendung. Die entstehenden Fältchen gehören mit zum Design und werden nur geglättet, wenn das durch die Verwendung des Stoffes nötig ist.
Ikat ist eine Technik, die auch durch den besten Druck nicht imitiert werden kann und dadurch an Prestige gewinnt. Das Garn wird vor dem Weben - wieder durch Abbinden - nur stellenweise gefärbt. Die Farbe verläuft etwas, so daß die Ränder des Musters in Schußrichtung etwas verlaufen, in Richtung der Kette aber klar sind. Die Technik erscheint einfach, erfordert aber viel Hantieren mit Linealen, Abbindegarn und Pinseln für den Farbauftrag.
Die teuerste und daher prestigeträchtigste Technik is Yûzen, benannt nach einem Fächermaler des 17. Jh. Es ist der noch immer recht beliebten Seidenmalerei ähnlich: Das Muster wird mit einer Paste aus Reisstärke umrissen, um zu verhindern, daß die Farbe verläuft. Dann wird das Muster vielfarbig ausgemalt, vollständig mit Reispaste bedeckt und die Stoffbahn in den Färbebottich gesteckt oder mit großen Pinseln großflächig eingefärbt. Die Farbe darin ist meist schwarz oder zumindest dunkel, so daß die leuchtenden oder zarten Farben des Musters besonders gut zur Geltung kommen. Teilweise wird die Grundfarbe in eine Richtung sehr allmählich heller. Dergrößte Unterschied zur Seidenmalerei besteht in der Feinheit der Trennlinien, die weniger als einen Millimeter breit sind. Für einen Kimono in echtem, hangemaltem Yûzen muß man Preise von einer Million Yen aufwärts anlegen (etwa 16.000DM). Am beliebtesten ist die Technik für Tomesode, die formellen Gewänder verheirateter Frauen. Sie wird am Häufigsten durch Drucke imitiert.