Münchner Tracht vor 1800: Eine Bildersammlung



Nachdem ich mich besonders für die Mode des 18. Jh. interessiere, interessiert mich auch die Münchner Tracht dieser Zeit. Leider sind die Quellen spärlich, und die meiste ernsthafte Forschung konzentriert sich auf die Zeit um 1820-40. Deshalb sammle ich jeden Fetzen Material über die Tracht vor dieser Zeit.

 

 

Schrannenplatz, anonymer Künstler, 1636

Die Szene gruppiert sich um einen (besetzten) Galgen, dem niemand sonderliche Beachtung schenkt. In dieser unruhigen Zeit des 30jährigen Krieges (das Bild entstand 2 Jahre nach der Besetzung Münchens durch die Schweden) waren Hinrichtungen wohl nichts besonderes. Der Krieg manifestiert sich durch eine Vielzahl von Soldaten, die sich v.a. den Damen gegenüber danebenbenehmen. Mitten auf dem zentralen Marktplatz der Stadt sch.... einer vor aller Augen aufs Pflaster. Das Bild ist im Besitz des Münchner Stadtmuseums.

Zwei Damen in steifen Schneppenmiedern und Halskrausen, wahrscheinlich Angehörige der bürgerlichen Oberklasse. Die Kleidung ähnelt derjenigen holländischer und flämischer Frauen dieser Zeit und ist wohl eher der hohen Mode als der (Volks-)Tracht zuzurechnen. Schürzen gehörten wohl schon damals unausweichlich dazu.

Zwei Damen der Oberklasse und ein Mädchen, in ähnlicher Kleidung wie die vorigen. Die feinen Spitzenkragen und das sorgfältig geschlitzte Cape deuten auf Wohlhabenheit. Man beachte den Pillbox-ähnlichen Hut. Beachte auch die abgerissenen Typen direkt dahinter - sie scheinen auf die Geldbeutel der Damen aus zu sein.

Frau der Mittelklasse. Kragen und Hut sind typisch für das frühe 16. Jh., aber die geschlitzten Ärmel erinnern an das 15. Jh. Sie scheint eine lange Jacke zu tragen, ähnlich den Männerjacken der gleichen Zeit, mit einer Schärpe, die hinten in einer großen Schleife endet. Die Zuordnung zur Mittelklasse beruht auf dieser Kleidung und den recht groben Schuhen. Während sie von einem der Soldaten bedrängt wird, die der 30jährige Krieg in die Stadt geschwemmt hat, beobachtet ein Händler oder Handwerker die Szene, der wohl seine Waren zum Markt trägt.

Frauen der Mittel- oder Oberklasse. Die Kleidung entspricht der im vorigen Bild und ist deutlich anders als in den ersten beiden. Die blaue Schürze ist ob ihrer Farbe ungewöhnlich. Auch diese Frauen werden von Soldaten belästigt und sehen alles andere als glücklich darüber aus.

Bürger und Soldaten.

Die Frau im Vordergrund handhabt einen Karren und trägt weder Jacke noch Mieder, sondern nur ein Hemd zum dunklen Rock mit sehr breitem Taillenband. Immerhin hat sie aber eine Halskrause, ist also wohl keine Bäuerin, sondern eine Händlerin. Der Mann, der Kornsäcke gegen einen heruntergekommenen Soldaten zu verteidigen scheint, ist wohl auch ein Händler. Die Frauen dahinter sehen nach wohlanständigem Bürgertum aus, und auch sie haben ihre Probleme mit Soldaten, wenn auch mit etwas gepflegteren.

  

 

Gemälde von Joseph Stephan, um 1760

Die ersten drei zeigen eine Szene außerhalb einer Wirtschaft an der Floßlände von Thalkirchen, das vierte eine Ziegelei bei Rosenheim. Stadtmuseum München.

Die Dame rechts dürfte eine Müncherin im Spenzer mit Riegelhaube sein. Die Frau zu ihrer Linken kommt von südlich außerhalb der Stadt - damals war Thalkirchen ja ein Dorf deutlich außerhalb, während es heute ein Stadtteil mit dörflichen Zügen ist.

Die Frau in der Mitte trägt einne Jacke zu einem dunkelroten Rock, darüber ein Fichu und anscheinend eine Riegelhaube. Ihre Kleidung entspricht in etwa der französischen Mode, hinkt aber etwas hinterher. Auf der anderen Seite des Tisches sieht man eine rote Haube.

Die Frau rechts trägt ein Spenzergewand in der typischen roten Farbe, dazu eine silberne Riegelhaube. Die beiden ganz links scheinen der Oberklasse anzugehören; die Dame mit ihrem hochgerafften Rock und der hohen Frisur erinnert an die Mode vom Anfang des Jahrhunderts. Der Herr hingegen ist ganz nach der Mode gekleidet.

Die Frau links trägt den vorn offenen Gewandrock hochgerafft, dazu ein kurzes Mantelet mit Kapuze. Sie und ihr Begleiter folgen offenbar der herrschenden Mode. Die Frau, die rechts davongeht, trägt dagegen die Tracht der Region in den typischen Farben, ähnlich der im ersten Bild.

 

Pferderennen von Joseph Stephan, 1779

Porzellansammlung im Schloß Nymphenburg

Eine Gruppe Leute aus der wohlhabenderen Mittel- oder der Oberklasse. Wie anscheinend immer folgen die Herren der französischen Mode, während die Damen zumindest zum Teil Tracht tragen. Die ganz links ist mit ihrer Dormeuse-Haube sehr modisch, die in der Mitte mit Schürze, langer Jacke und Hut (!) schon weniger; die im Hintergrund mit rotem Spenzer, blauem Rock und goldener Riegelhaube sehr münchnerisch.

In diesem Ausschnitt sind fast alle modisch gekleidet, nur in der Mitte wendet sich eine Münchnerin um - zu erkennen am roten Spenzer und goldener Riegelhaube. Dazu trägt sie einen rostbraunen Rock und eine grünliche Schürze.

Die Frau ganz rechts trägt eine seltsame Tracht, mit einer goldenen Haube mit Spitze über der Stirn. Vielleicht ist sie aus Augsburg. Die Frau in der Mitte oben mit grünem Hut scheint aus dem Süden angereist zu sein, vielleicht gar aus dem Oberland. Die ganz links, die eine pelzverbrämte Kappe trägt, könnte aus dem südosten Münchens stammen, z.B. aus Trudering.

Eine Familie (wohl Bauern) von außerhalb Münchens. Sie trägt ein steifes rotes Mieder mit gelblichen oder goldenen Borten, eine blaue Schürze und einen für die Zeit recht kurzen, dunkelblauen Rock. Unter dem Hut scheint sie eine weiße Haube zu tragen, wie es damals in allen Schichten üblich war. Er hat wie alle Männer seiner Zeit Kniehosen an - schlabberiger als die der Modegecken -, dazu eine farblich nicht passende, kurze Jacke ohne Schöße - bequeme, für die Arbeit geeignete Kleidung also.

Zwei Frauen und eine Schubkarre mit Kindern darauf. Die rechte, im einer Jacke mit farblich passendem Rock und passenden Schuhen, ist offenbar sehr wohlhabend - wahrscheinlich die Mutter der Kinder, die von einer Zofe oder einem Kindermädchen geschoben werden. Diese trägt die Münchner Bürgerinnentracht: Einen Spenzer mit weitem, steifem Schoß (diesmal nicht in rot, sondern gelb) und flügelartigen Ärmelaufschlägen, wie sie um 1740 üblich waren. Schürze, Fichu und Riegelhaube gehören wie immer dazu.

   

 

Wallfahrtskirche Niederschönenfeld, Ende 18. /Anfang 19.Jh.

Alle Bilder in dieser Tabelle wurden mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Monika Höde von der Trachtenberatungsstelle des Bezirks Schwaben. Die Kirche liegt im Regierungsbezirk Schwaben, ca. 60 km nord-nordwestlich von München. Alle hier Abgebildeten tragen eine Tracht, die der der Münchnerinnen jener Zeit sehr ähnlich ist. Wallfahrtskirchen wurden natürlich auch von Gläubigen aus weiter entfernten Orten besucht, aber anhand der Zahl der Votivbilder muß man sich fragen, ob all diese Frauen aus München angereist waren - damals immerhin eine mehrtägige Reise - , ob sie aus der näheren Gegend stammten, aber zu diesem festlichen Anlaß die Tracht der Hauptstädterinnen nachahmten, oder ob gar das, was wir heute für Münchner Tracht halten, sehr viel weiter verbreitet war, als die Trachtenerneuerer uns glauben machen. Wer weiß: Vielleicht haben sich ja die diversen Trachten erst im 19. Jh. aus einer gemeinsamen Wurzel entwickelt, wobei die Münchnerinnen näher am Original blieben als die anderen.

Kind in Tracht,, gemalt von Nikolaus Weiß, Oktober 1800 (Privatbesitz). Schamlos ;) Frau Höde zitierend: Die jüngste auf dem Familienporträt dargestellte Tochter führt die hemdsärmelige Rokoko-Tracht mit Bandhaube, wie sie nur kleine Mädchen tragen, in aller Prachtentfaltung vor. Das Goller ist mit einer goldenen Nadel am Mieder festgesteckt. Die Gollerkette (?) endet in zwei Engelchen, die vorne das Mieder zieren.

Frau beim Gebet, 1797. Anders als bei allen anderen Abbbildungen dieser Zeit sind Jacke und Rock aus dem gleichen Stoff, noch dazu gemustert statt uni. Daß das Gewand zweiteilig ist, anders als die Robe der Modedamen, verrät nur das hochstehende Schößchen. Das Einstecktuch ist rot - eine eher ungewöhnliche Farbwahl - und statt der Florschließe trägt sie schon die vielgängige Kropfkette.Die Armstutzen dürften mustergestrickt sein, die Riegelhaube ist Gold und Rot.

Frau und Kind beim Gebet, sehr spätes 18. Jh. Die Frau trägt den typischen Spenzer mit riesigen, steifen Schößen. Die schwarze Schürze scheint bis zur Brust zu reichen, wo sie festgesteckt ist, wie eine Arbeitsschürze. Die goldene Riegelhaube in der frühen, großen Form und das Gold am Rocksaum deuten auf Wohlhabenheit. Das Kind trägt im Grunde die gleiche Kleidung. Bei beiden sieht man Rot in der Riegelhaube; vielleicht handelt es sich um Goldstickerei auf rotem Grund.

Dame beim Gebet, sehr spätes 18. Jh. Auch hier wieder Spenzer mit schwarzer Schürze, die aber hier nur bis zur Taille geht. Die Armstutzen sind ungewöhnlich, anscheinend aus schwarzem Stoff mit Knopfschluß und roten Aufschlägen und Silber anstatt der schwarzen Loch-und Musterstrickerei, die ich bisher kannte - aber seither habe ich ähnliche der öfteren gesehen. Das Einstecktuch ist ebenfalls ungewohnt in seiner Buntheit, mit Goldborte an Rand. Riegelhaube und Halsflor sind typisch.

Frau und Mädchen, 1798. Auch hier wieder die schwarz-roten Armstutzen, ansonsten typische Tracht. Ungwöhnlich ist nur die Goldborte um den Halsausschnitt - ein Vorläufer der Rüschen am Spenzergweand? Das Mädchen trägt die Tracht der Erwachsenen, nur daß ihr Spenzer lebhaft gemustert und langärmelig ist. Dieses Bild und das vor-vorige räumen mit dem Vorurteil auf, daß nur verheiratete Frauen goldene Riegelhauben trugen, ledige aber silberne. Offenbar war es mehr eine Frage des Geldes und des Geschmacks.

Frau und Kind, 1817. Diese Frau trägt die spätere, fast schon klassische Form der Spenzertracht - der bisher an der französischen Mode der 1740er orientierte Spenzer hat sich zu einem regionaltypischen Kleidungsstück mit Rüschen um den Halsausschnitt entwickelt. Statt der 3/4langen Ärmel mit flügelartigen Aufschlägen sieht man lange, glatte Ärmel. Die Riegelhaube ist kleiner als zuvor, aber noch nicht ganz so klein wie im Biedemeier.

 

Andere

Votivfigur aus Wachs, Kaufbeuren, 1776.
Unter dem nur oben zugeknöpften Spenzer (wieder mit den flügeligen Ärmelaufschlägen aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts) zeichnet sich die Form eines steifen, hoch hinaufreichenden Mieders ab. Das Geschnür aus Silberkette mit Anhängern daran wird sichtbar, wo der Spenzer aufklafft. Der schwarze Halsflor mit der großen, herzförmigen Schließe ist ein Vorläufer der Kropfkette. Die Unterarme werden von schwarzen Stutzen bedeckt, wie sie zu jener Zeit oft zum Spenzer getragen wurden.

Armstutzen, eine Art Pulswärmer. Sie sind aus schwarzer Wolle gestrickt; das Muster wird von Metallperlen gebildet.