Helfer der Schönheit

 

4. Erfahrungsberichte

Vorbemerkung

Ich mache schon seit Jahren v.a. Cremes und Lippenpomaden selber. Beim Studium der alten Rezepte fiel mir auf, daß die Zutaten und Herstellungsweisen gar nicht so verschieden sind von dem, was ich modernerweise so zusammenpantsche. Deshalb habe ich mir kleine Änderungen erlaubt, z.B. auf tierische Fette zu verzichten, und sie durch pflanzliche zu ersetzen. Rindertalg und Schweineschmalz sind mir einfach zu eklig.

Weiße Schminken als Pulver

Ein großer Teil der Rezepturen für weiße Schminken handelt davon, wie man Metallspäne mit Säuren übergießt und so Metalloxyde gewinnt, die dann in Form eines weißen Pulvers als Pigment dienen. Nun habe ich überhaupt keine Lust, mir so fieses Zeug wie Bleiweiß ins Gesicht zu schmieren, und ebensowenig Lust, mit Säuren zu hantieren. Es gibt aber eine viel einfachere Methode: Man gehe in eine Apotheke oder zum Künstlerbedarf, wo Pigmente verkauft werden, und verlange Talkum, Zinkweiß und/oder Titanweiß. Sie alle liegen bereits in Pulverform vor und können gleich so verwendet werden. Zinkweiß wird auch als Zinkoxyd bezeichnet, Titanweiß als Titandioxyd. Es gibt zwei Sorten Titanweiß, deren eine Rutil heißt - nimm die, die ist besser als die andere.

Dabei entspricht nur Talkum 1:1 dem historischen Rezept, minus der Mühe, es im Essigbad zu reinigen, da das heute verkaufte Talkum bereits so weiß ist, wie es nur geht, und keiner Reinigung bedarf. Zinkweiß ersetzt bei mir das Zinnweiß: Es ist, wie Zinnweiß, nicht allzu stark deckend, dafür bestimmt ungefährlich (es wird häufig in der Kosmetik- und Pharmaindustrie verwendet). Historisch korrekt ist es nicht, da es erst seit ca. 1830 bekannt ist. Titanweiß verwende ich statt des wegen seiner Deckkraft beliebten Bleiweiß: Es deckt ebenso gut wenn nicht sogar besser, ist ebenfalls unbedenklich... und noch weniger historisch korrekt, da erst seit dem frühen 20. Jh. in Gebrauch. Aber egal: Hauptsache ungiftig, und wer will schon den Unterschied feststellen?

Es kommt in den Fotos oben nicht ganz raus, aber Talkumweiß (links) deckt weitaus weniger gut als Titanweiß (rechts). Letzteres deckt ählich gut wie moderne Clownschminke, und ich wette, das ist es, woraus Clownschminke gemacht wird.

Statt der Empfehlung der Rezeptur, die weiße Schminke mit einem mit Pomade gefetteten Finger/Papier aufzutragen, oder vor dem Auftragen mit Pomade zu vermischen, würde ich eher dafür plädieren, das Gesicht mit Pomade zu bestreichen und dann mit einem Pinsel o.ä. das Weiß darüberzupudern. Denn wenn die Pomade nicht sehr flüssig ist (was sie, wenn man den überlieferten Rezepten folgt, eben nicht ist), wird durch Beimengung des weißen Pulvers nur bröcklig-trockenes Zeug daraus und der Auftrag entsprechend mühsam und ungleichmäßig. Ich habe das mit der sowieso schon relativ flüssigen Kakaobutter-Pomade aus dem Rezeptbuch probiert.

Um einen Effekt zu erreichen wie gegen Ende des Films "Elizabeth", wo man der Königin ziemlich cremig-flüssiges, aber stark deckendes Zeug auf die Hand schmiert, müßtest Du Bleiweiß (oder Titanweiß) mit flüssigem Öl, z.B. Mandelöl, vermischen. So etwas erwähnt das Rezeptbuch aber nicht. Meine oben erwähnte Puder-Methode aber ebensowenig.

Die fettige Pomade auf der Haut wird das Weiß aufnehmen und an Ort und Stelle binden: Um das Titanweiß von den mit Pomade gefetteten Fingern loszuwerden, war ziemlich viel Seife nötig. Halte beim Pinseln aber die Luft an oder stecke Dir Watte in die Nasenlöcher, denn so unbedenklich Zinkweiß auf der Haut ist, einatmen sollte man es nicht: Der Staub ist etwas ungesund und hinterläßt einen eklig metallischen Nachgeschmack im Rachen.

Weiße Schminken als Kügelchen

Zur Erinnerung, man soll Traganth eine Nacht in Wasser ansetzen, das Traganthwasser dann über das weiße Pulver gießen, zu einem Brei verrühren und den Brei auf einem weißen Papier ausbreiten.

Traganth gibt es als Pulver - nicht ganz billig, aber sehr, sehr ergiebig. Ein halber Teelöffel davon mit ca. 1/8 Liter Wasser müßte, wenn man es gut verrührt und über nacht stehenläßt, einen schön dicken Baaz ergeben, der für 200-400 g weißen Pulvers reicht. Genau kann ich das nicht sagen, weil ich bisher erst einen Versuch hinter mir habe, bei dem ich viel zuviel Traganthwasser hatte. Von dem Zeug zuviel zu haben, ist allerdings nicht so das Problem, sondern eher, wieviel davon man zu dem Pulver gibt. Das war bei meinem Versuch auch zuviel. Das Zeug trocknete ewig auf dem Papier vor sich hin, und am Ende klebte das aufgeweichte Papier daran fest. Ich schlage also eine andere Methode vor:

Tu ca. 1/4 von dem weißen Pulver beiseite, nimm erstmal wenig von dem Traganthwasser und versuche, mit den restlichen 3/4 des weißen Pulvers eine dicke, knetbare Konsistenz wie von Brotteig zu erreichen. Ähnlich wie Teig klebt das Zeug gern an den Fingern, so daß man es ganz schlecht anweisungsgemäß zu Kügelchen rollen kann. Da kommt dann das restliche Pulver ins Spiel: Knete es nach und nach in den Teig ein, wie das Mehl beim Brotbacken, bis es nicht mehr klebt. Und dann mach die erbsenbgroßen Kügelchen. Setze sie mit ein bißchen Abstand auf einen Teller und stelle den an einen warmen, trockenen Ort. Je nachdem, was für ein Ort das ist (das geheizte Wohnzimmer oder die Sommersonne?), kann das Trocknen ein paar Tage dauern. Du kannst den Prozeß abkürzen, indem Du den Teller bei niedriger Temperatur (50°) für 2-4 Stunden ins Backrohr stellst. Laß die Kügelchen danach noch eine Weile in der warmen Backofenluft und nochmal 2-4 Tage in einem trockenen Raum, damit sie ganz durchtrocknen können.

Carminroth

Nochmal zur Erinnerung in Kürze: 2 Unzen Cochenille gepulvert, mit 4 Maaß weichem Wasser aufkochen, eine Drachme Alaun zusetzen, durch ein Tuch seihen. Kaltstellen und alle 2 Std. zwei Tropfen Zinnauflösung zugeben, setzen lassen, Klares abgießen und den Bodensatz trocknen lassen.

Einem Pigmentelexikon zufolge soll dabei Scharlachrot herauskommen. Ich habe, weil es nur ein Versuch war und Cochenille teuer ist, die Mengen halbiert. Ganze Cochenille habe ich im Pigmenteladen gefunden und 30 g davon im Mörser zerkleinert. Im Edelstahltopf habe ich 3 Liter Wasser zum kochen gebracht (das mit dem weichen Wasser hatte ich vergessen und das mittelharte bis harte Münchner Leitungswasser genommen) und das Pulver darin 5 min kochen lassen. 2 g Alaun zugefügt, verrührt, durch ein dichtes Tuch in ein Plastikgefäß abgeseiht, auf den Balkon gestellt (es war Winter, aber kein Frost). Nach Studium o.g. Pigmentelexikons und diverser Färberezepte kam ich zu dem Schluß, daß mit "Zinnauflösung" Zinn(II)dichlorid gemeint sein müsse und nahm dieses. Das ist aber im Handel als kristalliner Feststoff zu haben. Was sind dann 2 Tropfen? Ich habe mal eine halbe Messerspitze angesetzt, alle zwei Stunden zugefügt. Achtung: Das Zeug ist ätzend!

Danach stand die Suppe eine Woche auf dem Balkon, und wahrlich, am Boden setzte sich rotes Zeug ab, und darüber stand rötliche, aber klare Flüssigkeit. Die habe ich sehr, sehr vorsichtig abgeschöpft. Dabei ist es praktisch, ein hohes, schmales Gefäß zu haben, in dem das Klare möglichst hoch über dem Satz stehen kann. Das ist wie beim Sandtauchen: Eine falsche Bewegung, und alles wirbelt hoch. Da hilft dann nur warten. Als es absolut chancenlos war, noch Klares abzuschöpfen, habe ich die Soße aufgewirbelt und in einen Suppenteller gegossen. Den habe ich dann mit einem Papier abgedeckt und das Zeug eintrocknen lassen.

Anders als im Rezept wurde nicht etwa ein Pulver draus, sondern eine feste Schicht. Die mußte ich aus dem Teller bröckeln und im Mörser wieder zu Pulver mahlen. Es ist auch nicht scharlachrot (oder das, was ich mir drunter vorstelle, also richtig krachrot), sondern dunkelrot - ziemlich genau so wie das Karminrot in meinem Schulmalkasten.

Mittlerweile habe ich im Pigmenthandel ein Zeug namens Carmin Naccarat gefunden, das offenbar wie im Rezept hergestellt wird, minus Zinnauflösung. Das sieht eher wie meine Vorstellung von Scharlachrot aus. Was ist nun die richtige Farbe? Habe ich was falsch gemacht, daß mein Zeug so dunkelrot ist? Hätte weiches Wasser einen Unterschied gemacht? War die Dosierung der Zinnauflösung falsch? Oder hat mein Zeug genau die richtige Farbe? Keiner kann's wissen.

Übrigens, kleiner Tip: Den Brei, der nach dem abseihen im Tuch blieb, habe ich getrocknet und aufgehoben. Auch das abgeschöpfte Klare habe ich aufgehoben. Beides werde ich statt klarem Wasser verwenden, wenn ich Stoff-Färbeversuche oder Seife mache.

Sandeholzroth

Laut Rezept sollte man zerstoßenes Sandelholz mit Weingeist übergießen und eine Woche an einem warmen Ort stehenlassen, dann den Alkohol abdampfen lassen. Übrig bleibt ein rotes Harz, das man trocknen läßt.

Da ich keine Destillieranlage habe, ist das Verdampfen des Alkohols eine langwierige Sache. Ich habe es eine Weile im Warmen stehenlassen, in der Hoffnung, daß sich der Alk mit der Zeit von allein verflüchtigt. Nach einer Weile wurde es mir zu bunt - nun ja, eigentlich eher zu braun -, und ich habe den bräunlich gewordenen Alk abgegossen, den Bodensatz getrocknet und zermörsert. Das Ergebnis ist ein bräunliches Rot, von dem ich den Verdacht habe, daß es sich vom ursprünglichen gepulverten Sandelholz kaum unterscheidet, ja sogar eher noch bräunlicher ist. Da man damals leuchtendes Rot zu bevorzugen schien, ist das wohl nicht die richtige Farbe, auch wenn das durch Mischen mit Talkum entstandene Altrosa recht hübsch ist. Vielleicht wäre es besser gewesen, pulverisiertes Sandelholz, wie man es ja heute kriegt, gleich so zu verwenden, wie es ist.

 

Um es als Schminke zu verwenden, wurde das Carminpulver (oder jedes andere Rot) mit gepulvertem Talkum vermischt, und zwar so, daß sich verschiedene Nuancen ergaben. Dann konnte man mit dem blassesten Rosa anfangen und darauf einen kleineren Fleck kräftigeres Rosa auftragen, um eine feine Abstufung zu erreichen. Auf einem weißen Untergrund braucht es keinen großen Rot-Anteil, d.h. die Nuancen müssen von einem sehr blassen blaßrosa bis zu einem mittleren rosa gereicht haben. Das Rezept empfiehlt die Anwendung einer ähnlichen Traganthrezeptur wie oben, nur daß man die Schminke nicht zu Kügelchen rollt, sondern in Töpfchen füllt und darin trocknet, so daß sich etwas ähnliches wie heutige Pudertöpfe ergibt. Finde aber mal heutzutage geeignete Töpfchen! Laß das Zeug lieber als Pulver, oder falls es für den Transport besser ist, mach Kügelchen. Letztere Methode fordert aber immer etwas Tribut in Form von Zeug, das an den Fingern oder sonstwo klebt, und da das Rotpigment in der Herstellung recht teuer ist, ist es um jedes bißchen davon schade.